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Zu den Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung durch den Versicherer in der privaten Krankenversicherung

Zu den Voraussetzungen einer fristlosen Kündigung durch den Versicherer in der privaten Krankenversicherung

  • 18. Juli 2007

Die Parteien stritten über den Fortbestand eines vom beklagten Versicherer fristlos gekündigten Krankenversicherungsverhältnisses, das neben einer Krankentagegeldversicherung unter anderem eine Krankheitskosten- und eine Pflegepflichtversicherung umfasst. Der Versicherer hat das Krankenversicherungsverhältnis insgesamt gekündigt. Er hat die Kündigung darauf gestützt, der Kläger hätte trotz gemeldeter Arbeitsunfähigkeit seine Berufstätigkeit weiterhin ausgeübt und dadurch unberechtigt Leistungen aus der Krankentagegeldversicherung zu erschleichen versucht. Nach den Versicherungsbedingungen setzt der Anspruch auf Krankentagegeld Arbeitsunfähigkeit voraus. Diese liegt vor, wenn die versicherte Person ihre berufliche Tätigkeit nach medizinischem Befund vorübergehend in keiner Weise ausüben kann, sie auch nicht ausübt und keiner anderweitigen Erwerbstätigkeit nachgeht.

Der Kläger, ein selbständiger Architekt, schloß im Jahre 1990 mit der beklagten Versicherungsgesellschaft eine Krankheitskosten-, eine Pflegepflicht- und eine Krankentagegeldversicherung ab. Im Jahre 2004 zeigte er seine Arbeitsunfähigkeit an. Nachdem die Beklagte wiederholt Krankentagegeld geleistet hatte, stellte sie die Zahlungen im Februar 2005 ein.

Die Beklagte zweifelte daran, dass der Kläger tatsächlich nicht imstande war, seinen Beruf auszuüben. Sie beauftragte ein Unternehmen mit der Überprüfung des Klägers im Hinblick auf eine tatsächliche Berufsausübung. Ein Mitarbeiter dieses Unternehmens, der Zeuge A., nahm Kontakt mit dem Kläger auf und gab sich als Bauinteressent aus. Es kam daraufhin im März 2005 zu drei Treffen mit dem Kläger. Nachdem die Beklagte hiervon erfahren hatte, erklärte sie mit Schreiben vom 30. März 2005 die fristlose Kündigung.

Der Kläger hält die Kündigung für unbegründet und beantragt festzustellen, dass das Krankenversicherungsverhältnis insgesamt fortbesteht. Das Landgericht hatte angenommen, dass die Beklagte zur außerordentlichen Kündigung allein der Krankentagegeldversicherung berechtigt gewesen ist. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Feststellungsklage insgesamt abgewiesen, weil die fristlose Kündigung auch zur Beendigung der Krankheitskosten- und der Pflegepflichtversicherung geführt habe.

Der BGH hat dagegen auf die Revision des Klägers festgestellt, dass das Krankenversicherungsverhältnis insgesamt fortbesteht. Die Beklagte war bereits zur außerordentlichen Kündigung der Krankentagegeldversicherung nicht berechtigt. Zwar war der Kläger an den drei Tagen, an denen er mit dem Zeugen A. über die Verwirklichung von dessen (angeblichem) Bauvorhaben gesprochen hatte, nicht bedingungsgemäß arbeitsunfähig, weil er damit seine berufliche Tätigkeit ausgeübt hatte, zu der bei einem selbständigen Architekten auch die Akquisition neuer Kunden gehört. Unter einer Ausübung beruflicher Tätigkeit sind alle selbst geringfügigen Tätigkeiten zu verstehen, die dem Berufsfeld des Versicherungsnehmers zuzuordnen sind. Der Kläger hatte deshalb für drei Tage zu Unrecht Krankentagegeld verlangt. Dies berechtigte die Beklagte aber nicht zur Kündigung der Krankentagegeldversicherung aus wichtigem Grund.

Ein wichtiger Grund liegt nach § 314 Abs. 1 Satz 2 BGB nur vor, wenn dem kündigenden Teil unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die Fortsetzung des Vertragsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Diese erforderliche Gesamtabwägung ist in den Vorinstanzen nicht im rechtlich gebotenen Maß durchgeführt worden. Insbesondere wurde nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt, dass der Kläger nur in geringem Umfang beruflich tätig geworden war, die Tätigkeit sich auf die Besprechungen mit dem Zeugen A. beschränkten und die Beklagte zuvor ihre Leistungen eingestellt hatte.

Donnerstag, den 05.10.2007 BGH, Urteil vom 18. Juli 2007, Az. IV ZR 129/06