03 61 - 22 05 50 oder 0176 - 181 402 71
03 61 - 22 05 52 12

Wann schläft der Richter?

Wann schläft der Richter?

  • 4. April 2015

Diese Frage war zu beantworten, da das Gericht nach Ansicht einer Partei nicht ordnungsgemäß besetzt war. Einer der Richter schlief nämlich. Doch schlafen ist nicht gleich schlafen! Zunächst mussten die Richter genau ausführen, anhand welcher Merkmale die Feststellung zu treffen ist, dass ein Richter tatsächlich schläft:

„(…) Die Beklagtenvertreterin trägt insoweit vor: „Der ehrenamtliche Richter H. war unfähig der Verhandlung zu folgen, weil er über einen längeren Zeitraum ununterbrochen die Augen geschlossen hatte und – wie durch seine Körperhaltung, nämlich Senken des Kopfes auf die Brust und ruhiges tiefes Atmen sowie ‚Hochschrecken‘ – zum Ausdruck kam, offensichtlich geschlafen hat.“ Zur Glaubhaftmachung ihres Vortrags hat sie auf einen Vermerk des ihr zur Ausbildung zugewiesenen Rechtsreferendars Bezug genommen, der an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hatte und in seinem Vermerk anmerkt, „dass während nahezu der gesamten Verhandlung der ehrenamtliche Richter einnickte. Er schien der Verhandlung nicht zu folgen“.

Aus diesen mitgeteilten Beobachtungen, die weder hinsichtlich der Dauer des behaupteten Einnickens bestimmt sind noch sich inhaltlich decken und die vom Klägervertreter, der ebenfalls an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, nicht bestätigt werden, lässt sich aber, selbst wenn sie zuträfen, noch nicht sicher darauf schließen, dass der bezeichnete Richter tatsächlich über einen längeren Zeitraum geschlafen hat und der mündlichen Verhandlung nicht folgen konnte. Das Schließen der Augen über weite Strecken der Verhandlung und das Senken des Kopfes auf die Brust beweist allein nicht, dass der Richter schläft. Denn diese Haltung kann auch zur geistigen Entspannung oder zwecks besonderer Konzentration eingenommen werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. März 1975 a.a.O.; Urteil vom 24. Januar 1986 – BVerwG 6 C 141.82 – Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 63 S. 44; BFH, Beschlüsse vom 5. Dezember 1985 und vom 17. Mai 1999 a.a.O.). Deshalb kann erst dann davon ausgegangen werden, dass ein Richter schläft oder in anderer Weise „abwesend“ ist, wenn andere sichere Anzeichen hinzukommen, wie beispielsweise tiefes, hörbares und gleichmäßiges Atmen oder gar Schnarchen oder ruckartiges Aufrichten mit Anzeichen von fehlender Orientierung (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Januar 1986 a.a.O. und Beschluss vom 3. März 1975 a.a.O.; BFH, Beschluss vom 17. Mai 1999 a.a.O.). Derartige Beweisanzeichen hat die Beschwerde nicht in ausreichendem Maße vorgetragen. Ruhiges tiefes Atmen kann ebenfalls ein Anzeichen geistiger Entspannung oder Konzentration sein, insbesondere dann, wenn es für andere nicht hörbar erfolgt, denn gerade dies kann darauf schließen lassen, dass der Richter den Atmungsvorgang bewusst kontrolliert und nicht schläft. Auch das „Hochschrecken“ des Richters hat die Beschwerde nicht näher geschildert, vor allem nicht dargelegt, dass er nach dem „Hochschrecken“ einen geistig desorientierten Eindruck gemacht habe. „Hochschrecken“ allein kann auch darauf schließen lassen, dass es sich lediglich um einen die geistige Aufnahme des wesentlichen Inhalts der mündlichen Verhandlung nicht beeinträchtigenden Sekundenschlaf gehandelt hat. (…)“

BVerwG Beschluss 13.06.2001, AZ 5 B 105/00

Schlagwörter: , , ,