Verfassungsbeschwerden in Sachen „Rauchverbot“ erfolgreich
- 30. Juli 2008
1. Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, ein striktes, ausnahmsloses Rauchverbot in Gaststätten zu verhängen. Entscheidet er sich aber für eine Konzeption, bei der das Ziel des Gesundheitsschutzes mit verminderter Intensität verfolgt und mit Rücksicht insbesondere auf die beruflichen Interessen der Gastwirte Ausnahmen vom Rauchverbot zugelassen werden, so müssen diese Ausnahmen auch die durch das Rauchverbot wirtschaftlich besonders stark belastete getränkegeprägte Kleingastronomie („Eckkneipen“) miterfassen. Die Landesgesetzgeber der Länder Baden-Württemberg und Berlin haben bis zum 31. Dezember 2009 eine Neuregelung zu treffen. Dabei können sie sich unter Verzicht auf Ausnahmetatbestände für eine strenge Konzeption des Nichtraucherschutzes in Gaststätten entscheiden; oder sie können im Rahmen eines weniger strengen Schutzkonzeptes Ausnahmen vom Rauchverbot zulassen, die dann allerdings folgerichtig auf besondere Belastungen einzelner Bereiche des Gaststättengewerbes Rücksicht nehmen und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein müssen.
2. Die angegriffenen Bestimmungen bleiben wegen der hohen Bedeutung des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren des Passivrauchens bis zu einer Neuregelung anwendbar. In Baden-Württemberg und Berlin gelten daher zunächst weiterhin die bisherigen Vorschriften über das Rauchverbot in Gaststätten. Um für die Betreiber kleinerer Gaststätten existentielle Nachteile zu vermeiden, hat das Bundesverfassungsgericht jedoch bis zum Inkrafttreten einer Neuregelung die in den Nichtraucherschutzgesetzen bereits vorgesehenen Ausnahmen um eine weitere zugunsten der getränkegeprägten Kleingastronomie erweitert. Voraussetzung für eine solche Ausnahme vom Rauchverbot ist, dass die betroffene Gaststätte keine zubereiteten Speisen anbietet, eine Gastfläche von weniger als 75 Quadratmetern hat, nicht über einen abgetrennten Nebenraum verfügt und Personen unter 18 Jahren der Zutritt verwehrt ist. Zudem muss die Gaststätte im Eingangsbereich als Rauchergaststätte, zu der Personen unter 18 Jahren keinen Zutritt haben, gekennzeichnet sein.
3. Lässt ein Nichtraucherschutzgesetz die Einrichtung von Raucherräumen als Ausnahmen vom Rauchverbot in Gaststätten zu, ist ferner der generelle Ausschluss der Diskotheken von dieser Begünstigung nicht gerechtfertigt. Bis zu einer Neuregelung, die der Gesetzgeber bis zum 31. Dezember 2009 zu treffen hat, gilt die Vorschrift mit der Maßgabe fort, dass in Diskotheken, zu denen nur Personen ab 18 Jahren Zutritt haben, ein Raucherraum – ohne Tanzfläche – eingerichtet werden darf.
-BVerfG, Urteil v. 30. Juli 2008 – 1 BvR 3262/07-