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Kein unbedingter Vertrauensschutz des Chefarztes bei Delegation der Aufklärung auf untergeordneten Arzt

Kein unbedingter Vertrauensschutz des Chefarztes bei Delegation der Aufklärung auf untergeordneten Arzt

  • 7. November 2006

Die Klägerin verlangt Schmerzensgeld von dem Chefarzt einer chirurgischen Klinik. Dieser führte bei ihr eine Divertikeloperation am Zwölffingerdarm durch. Infolge einer Nahtinsuffizienz kam es danach zu einer schweren Bauchfellentzündung und einer eitrigen Bauchspeicheldrüsenentzündung. Ein Behandlungsfehler ließ sich nicht feststellen. Die Klägerin behauptet, über das mit der Operation verbundene Risiko einer Bauchspeicheldrüsenentzündung nicht vor der Operation aufgeklärt worden zu sein und dass sie bei Kenntnis dieses Risikos niemals in die Operation eingewilligt hätte. Das vorherige Aufklärungsgespräch hatte der Chefarzt nicht selbst durchgeführt, sondern dies einem Stationsarzt übertragen.

Das Landgericht Itzehoe hatte die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht Schleswig die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Dabei hat es offen gelassen, ob die Klägerin vor dem Eingriff ordnungsgemäß aufgeklärt worden ist. Nach Auffassung des OLG kommt eine Haftung des Chefarztes deshalb nicht in Betracht, weil ihm ein etwaiger Aufklärungsfehler des Stationsarztes jedenfalls nicht zuzurechnen sei.

Der VI. Zivilsenat hat das Urteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen, weil die Feststellungen des Berufungsgerichts eine Entlastung des Chefarztes von etwaigen Aufklärungsfehlern des aufklärenden Arztes nicht tragen. Der BGH hat zu der Frage Stellung genommen, unter welchen Voraussetzungen der nicht selbst aufklärende Operateur sich darauf verlassen kann, dass die Aufklärung ordnungsgemäß erfolgt ist.

Die hiernach bestehenden Kontrollpflichten gelten in noch stärkerem Maß, wenn der Operateur zugleich der Chefarzt und deshalb für die ordnungsgemäße Organisation der Aufklärung im Krankenhaus verantwortlich ist. Der operierende Chefarzt muss für eine Freistellung von der Haftung darlegen, welche Maßnahmen er ergriffen hat, um eine ordnungsgemäße Aufklärung der Patienten über die Risiken sicherzustellen und die Befolgung seiner Anweisungen zu kontrollieren. Hierzu fehlt jedoch bisher jeglicher Vortrag.

-BGH vom 7. November 2006 – Az. VI ZR 206/05-