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Haftung eines Reiseveranstalters trotz Versäumung der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB

Haftung eines Reiseveranstalters trotz Versäumung der Ausschlussfrist des § 651g Abs. 1 BGB

  • 12. Juni 2007

Die Klägerin verlangt Schadensersatz wegen eines Unfalls während eines bei dem beklagten Reiseveranstalter gebuchten Urlaubs. Während einer Veranstaltung bot eine Animateurin im Rahmen eines Wetten-dass-Spiels einem Kind folgende Wette an: „Wetten, dass es deiner Mama nicht gelingt, in zwei Minuten 60 verschiedene Schuhe einzusammeln?“ Daraufhin begannen die Zuschauer, Schuhe auf die Bühne zu werfen, von denen ein Schuh mit hohem, spitzem Absatz die in der ersten Reihe sitzende Klägerin am Hinterkopf traf. Nach ihrer Rückkehr von der Reise wurde zunächst eine Gehirnerschütterung diagnostiziert. Zwei Wochen nach dem Unfall hatte die Klägerin keine Beschwerden mehr, jedoch traten einige Monate später Kopfschmerzattacken sowie Sprach- und Koordinationsstörungen auf. Aufgrund eines Elektroenzephalogramms wurde daraufhin ein Herdbefund festgestellt. Daraufhin meldete die Klägerin bei der Beklagten Schadensersatzansprüche an, da sie bei dem Vorfall im Ferienclub ein Schädel-Hirn-Trauma erlitten habe, durch das ein symptomatisches fokales Anfallsleiden ausgelöst worden sei. Es sei noch nicht absehbar, ob das Leiden ausheilen oder sich zu einer bleibenden Epilepsie entwickeln werde.

Der BGH hat die vertragliche Haftung des Reiseveranstalters dem rechtlichen Ansatz nach bejaht (§ 651f BGB). Der Unfall stellte zumindest deshalb einen Reisemangel dar, weil nach der Feststellung des Berufungsgerichts die Gefahr des Schuhewerfens und die damit verbundene Verletzungsgefahr nicht fern lagen und die als Erfüllungsgehilfin des Reiseveranstalters zu behandelnde Animateurin diese Gefahr hätte vorhersehen und durch ein Verbot des Schuhewerfens hätte abwenden können.

Einen Ausschluss des Anspruchs wegen Fristversäumung nach § 651g Abs. 1 BGB hat der BGH verneint, weil die Klägerin an der Fristversäumung kein Verschulden traf. Denn der Reiseveranstalter hatte sie nicht, wie gesetzlich vorgeschrieben, auf die Ausschlussfrist hingewiesen. Hierzu und zu der daraus folgenden Vermutung eines fehlenden Verschuldens der Klägerin hat der BGH weitere Ausführungen gemacht. Ein Verschulden der Klägerin wurde auch deshalb abgelehnt, weil diese auf die Anmeldung von Ansprüchen verzichten durfte, solange sie an eine harmlose Gehirnerschütterung glauben konnte.

Der Rechtsstreit war an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil dieses noch keine tragfähigen Feststellungen zu der streitigen Frage getroffen hat, ob der Unfall für das von der Klägerin geltend gemachte fokale Anfallsleiden kausal war.

-BGH, Urteil vom 12.6.2007- X ZR 87/06-