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Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung: Bestimmung des Anteils der Stammkunden einer Tankstelle

Ausgleichsanspruch des Handelsvertreters nach Vertragsbeendigung: Bestimmung des Anteils der Stammkunden einer Tankstelle

  • 12. September 2007

Der VIII. Zivilsenat des BGH hat seine Rechtsprechung zum Anspruch des Tankstellenhalters auf Handelsvertreterausgleich (§ 89b HGB) nach Beendigung des Vertrags mit dem Mineralölunternehmen fortgeführt. Für die Bemessung des Ausgleichsanspruchs kommt es maßgeblich auf die Höhe des Stammkundenanteils der Tankstelle an.

Der Kläger hatte von Anfang 1992 bis Ende 2002 eine Tankstelle der Beklagten gepachtet und dort als Handelsvertreter Kraft- und Schmierstoffe vertrieben. Nach Beendigung des Vertrags hat er einen Ausgleichsanspruch in Höhe einer Restforderung von 48.927,04 € geltend gemacht. Er behauptet, dass er 90% seines Umsatzes mit Stammkunden erzielt habe und hat sich dabei auf eine Repräsentativbefragung des Instituts für Demoskopie Allensbach gestützt. Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und dies damit begründet, dass die elektronisch erfassten Kartenumsätze der Kunden als Schätzungsgrundlage vorzuziehen seien. Anhand der von ihr vorgelegten Daten ist sie von einem Stammkundenanteil von rund 38% ausgegangen.

Das Berufungsgericht hatte dem Kläger 39.917,77 € zugesprochen. Auf die Revision beider Parteien hat der BGH das Urteil aufgehoben und die Sache an das OLG zurückverwiesen.

Der BGH hat entschieden, dass der Kläger, den die Darlegungs- und Beweislast für den von ihm geltend gemachten Ausgleichsanspruch trifft, sich grundsätzlich auf die vorgelegte repräsentative Umfrage des Allensbach-Instituts aus dem Jahr 2002 stützen durfte. Ihm standen keine Daten zur Verfügung, die eine individuellere Schätzung des Umsatzanteils der Stammkunden an der Tankstelle ermöglicht hätten. Die Beklagte ist jedoch berechtigt, einer solchen Schätzung des Tankstellenhalters unter Hinweis auf konkret erfasste Zahlungsvorgänge über Einzelgeschäfte entgegenzutreten, weil diese eine genauere Schätzung des Stammkundenanteils einer bestimmten Tankstelle ermöglichen. Allerdings durften die von der Beklagten vorgelegten Aufzeichnungen und Auswertungen hier nicht zugrunde gelegt werden, ohne zuvor deren – vom Kläger bestrittene – Richtigkeit und Vollständigkeit durch einen Sachverständigen prüfen zu lassen, was bisher unterblieben war.

Nach der Entscheidung des BGH können im Allgemeinen die Kunden als Stammkunden (Mehrfachkunden) eines Tankstellenhalters angesehen werden, die mindestens vier Mal im Jahr – also durchschnittlich wenigstens ein Mal pro Quartal – bei ihm getankt haben. Beim vierten Tanken innerhalb eines Jahres ist in der Regel die Annahme berechtigt, dass der Kunde die Tankstelle nicht nur zufällig, sondern gezielt zum wiederholten Mal aufgesucht hat und dementsprechend eine Bindung des Kunden an die Tankstelle besteht.

Eine Kürzung des Ausgleichsanspruchs kann aus Billigkeitsgründen gerechtfertigt sein, wenn die Verkaufsbemühungen des Tankstellenhalters in nicht unerheblichem Maße durch eine von dem niedrigen Preis des Kraftstoffs ausgehende „Sogwirkung“ gefördert werden.

Das OLG wird – nach entsprechender weiterer Sachaufklärung – nunmehr den Stammkundenumsatzanteil erneut schätzen und nochmals einen Billigkeitsabschlag unter dem Gesichtspunkt einer „Sogwirkung“ des Preises zu erwägen haben.

BGH, Urteil vom 12. September 2007, Az. VIII ZR 194/06