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Arzt haftet für Unterhalt bei fehlerhaften Verhütungsmaßnahmen

Arzt haftet für Unterhalt bei fehlerhaften Verhütungsmaßnahmen

  • 14. November 2006

Die Klägerin ist Mutter eines im Dezember 2002 geborenen gesunden Sohnes. Sie verlangt von ihrem Gynäkologen, dem Beklagten, aus eigenem und aus abgetretenem Recht des Kindsvaters Ersatz des den Eltern durch die Unterhaltsverpflichtung entstandenen und noch entstehenden Schadens, also der Unterhaltskosten für das Kind. Der Beklagte hatte ihr im Januar 2002 das lang wirkende Verhütungsmittel „Implanon“ verabreicht. Dabei handelt es sich um ein circa 3 mm starkes und wenige Zentimeter langes Plastikröhrchen, welches oberhalb der Ellenbogenbeuge unter die Haut eingebracht wird. Der Beklagte hat die Behandlung abgerechnet, die Klägerin hat sie bezahlt. Im Juli 2002 stellte der Beklagte bei der Klägerin eine Schwangerschaft in der 16. Woche fest, das Implantat konnte nicht mehr gefunden werden. Der Wirkstoff des Implantats konnte im Blut der Klägerin nicht nachgewiesen werden. Die Klägerin konnte wegen der Schwangerschaft und Betreuung des Kindes eine ihr zugesagte Arbeitsstelle nicht antreten. Der Vater des Kindes, den die Klägerin im Zeitpunkt der Zeugung etwa seit einem halben Jahr kannte, hat die Vaterschaft anerkannt, lebt aber nicht mit der Klägerin zusammen. Er kommt seiner Unterhaltspflicht gegenüber dem gemeinsamen Sohn nach.

Die Klägerin hat dem Beklagten einen Behandlungsfehler vorgeworfen. Das OLG hat den Beklagten daher verurteilt, Unterhaltsschadensersatz für den zurück liegenden Zeitraum seit Geburt und bis zum Eintritt der Volljährigkeit monatlich zu zahlen. Die Höhe beträgt 270 % des Regelbetrages der jeweiligen Altersstufe der Regelbetragsverordnung abzüglich des jeweiligen gesamten Kindergeldes.

Die dagegen gerichtete Revision des beklagten Arztes hat der VI. Zivilsenat des BGH zurückgewiesen.

Das OLG hat einen Behandlungsfehler des Beklagten festgestellt. Daher ist unter den Umständen des vorliegenden Falles eine Haftung des Arztes für den Unterhaltsschaden der Eltern zu bejahen. Dies ergibt sich bereits aus der bisherigen Rechtsprechung des BGH zur „fehlgeschlagenen“ Familienplanung, wie sie das Bundesverfassungsgericht gebilligt hat. Die personenrechtliche Beziehung zwischen Eltern und Kind spricht nicht dagegen, in derartigen Fällen die Belastung mit einer Unterhaltsverpflichtung als Vermögensschaden anzusehen. Im Bereich der Arzthaftung gilt wie in jedem anderen Bereich der Vertragshaftung, dass der durch eine schuldhafte Vertragsverletzung verursachte Schaden zu ersetzen ist.

Eine Ersatzpflicht des Arztes besteht auch dann, wenn die gegenwärtige berufliche und wirtschaftliche Planung einer jungen Frau durchkreuzt wird und die zukünftige Planung deshalb noch nicht endgültig absehbar ist. Fehler des Arztes können zu erheblichen wirtschaftlichen Folgen führen. In den Schutzbereich eines auf Schwangerschaftsverhütung gerichteten Vertrages zwischen Arzt und Patientin ist nicht nur ein ehelicher, sondern auch der jeweilige nichteheliche Partner einbezogen, der vom Fehlschlagen der Verhütung ebenfalls betroffen ist. Zu ersetzen ist nur das Existenzminimum des Kindes, welches das OLG hier zutreffend berechnet hatte.

-BGH vom 14. November 2006 – VI ZR 48/06-